Nach dem gestrigen anstrengenden Tag war heute nicht gerade ausruhen angesagt. Schließlich sollten heute der Grand Ballon mit rund 1.430 m Höhe erreicht werden und die Strecke belief sich auf etwa 25 km. Unsere Unterkunft ist in Bussang und für einen Tagesmarsch zu weit weg. So ließen wir uns unterwegs abholen und setzen morgen an dieser Stelle unsere Wanderung fort.
Pünktlich um 08.00 Uhr startete die Wandergruppe bei strahlendblauem Himmel und Temperaturen um ca. 10 ° C. Die Zimmerabrechnung musste noch etwas warten, weil in Frankreich die Uhren eben anders gehen und wenn man versucht Druck auszuüben, dann erreicht man auf jeden Fall eines: Es dauert alles noch viel länger. So ist mit etwas Geduld und Verständnis mehr erreicht. Der Wanderweg führte zunächst zum Hartmannswillerkopf. Dort erinnert ein Soldatenfriedhof, Denkmäler und immer noch intakte Stellungen an den blutigen Krieg zwischen Deutschland und Frankreich von 1914 bis 1918. Dieser Krieg wurde auch hier mit sehr großer Härte geführt und forderte von über 30.000 Soldaten das Leben. Die Militärstrategen gingen damals davon aus, dass der, der die Höhen der Vogesen besitzt, auch das Umland östlich, südlich und westlich davon beherrscht. Dieses Denken verursachte sowohl auf deutscher als auch auf französischer Seite große Ängste. Deshalb wurde damals auch hier so unerbitterlich um jeden Zentimeter Land gekämpft. Heute können wir einfach durch diese wunderschöne Landschaft wandern, ohne dass wir etwas zu fürchten hätten. Das ist ein ganz wunderbarer Fortschritt, den unsere beiden Länder erreicht haben. Es ist heute schon fast zu sehr Alltag, als dass dieser Umstand immer richtig geschätzt wird. Leider ist es weltweit noch lange nicht selbstverständlich, überall wandern gehen zu können. Der Fall des Eisernen Vorhangs und der Berliner Mauer ist ebenfalls erst 12,5 Jahre her und so manch einer möchte die Mauer wieder errichten. Ich hoffe, dass alle Grenzen einmal fallen und jeder einfach so überall hingehen kann. Aber noch sind zu viele Grenzen und Ängste auf der Welt, die ein friedliches Zusammenleben noch erheblich stören.
Unsere Wanderung führte von diesem Schlachtfeld weiter auf den Grand Ballon, den höchsten Berg der Vogesen mit 1.430 m Höhe. Auf dem Gipfel herrschte teilweise ein Verkehr, wie zur Hauptverkehrszeit in der Großstadt. Nur fahren da fast nur “normale” KFZ. So ist es auf dem Grand Ballon keine Seltenheit, wenn mehr als über 100 Motorräder auf einmal parken. Oder wenn eine Gruppe von Radfahrern mit ca. 50 Teilnehmern auf dem Parkplatz eine Rast hält, oder gar mehr als 15 verschiedene Porsche spazieren gefahren werden. Von der Radarstation des Grand Ballon aus, hatten wir heute eine wunderbare Rundumsicht bis zum Schwarzwald, über den wir gewandert sind. Die Alpen von Österreich bis Frankreich konnten wir am südlichen Horizont sehen. Die Vogesen lagen uns rundherum zu Füssen. Dieser Gipfel ist ein lohnenswertes Ziel. Doch wir nahmen Abschied von dem Trubel auf über 1.430 m und gingen in Ruhe unserem Tagesziel, einem Ortsteil von St. Aramin entgegen, den wir um 16.00 Uhr erreichten. Von dort holte uns Alain Lasserre ab und fuhr uns zu unserer Unterkunft in Bussang. Sowohl die Wandergruppe als auch Herr Lasserre trafen fast gleichzeitig ein. Nachdem wir das Quartier bezogen hatten, wartete wieder ein gutes französisches Essen auf uns. Die Unterhaltung war etwas schwierig, weil unsere Französischkenntnisse und die Deutschkenntnisse andererseits nicht sehr ausgeprägt sind. Trotzdem haben wir diesen Abend auch zur Erholung genutzt und stellen uns am 3. Tag in Frankreich immer besser auf die Gewohnheiten seiner Bewohner ein. Den Abschluss fand dieser Tag bei einem Bier im Freien und der Erinnerung daran, wie wunderschön die Vogesen in den Tälern sind, wie freundlich und entgegenkommend die Menschen hier in der Region sind und wie wir in dieser Region als Fremde ohne Ängste, Sorgen und Nöte auskommen können, wie sehr wir als Wanderer unser Umfeld bewusst aufnehmen und die Veränderungen der Region zwar feststellen, aber auch erleben, dass sich die Menschen hier anders, aber auch sehr geschickt, mit ihrem Umfeld arrangiert haben.